Lars Janitz, Executive Vice President für Global Managed Services der NTT DATA Business Solutions, spricht mit Gernot Kapteina, Gründer von OYSTEC, über die strategische Bedeutung von Managed Services für Kunden der globalen IT-Industrie und den Einsatz neuer, digitaler Technologien.
Lars, vielen Dank, dass wir dieses Interview verwirklichen! Du bist Executive Vice President bei NTT DATA Business Solutions; konkret verantwortlich für das globale „Managed Services“-Geschäft, also dem Bereich mit dem mittlerweile größten Umsatzanteil Eurer Organisation. Wie kam es dazu; kannst Du unseren Lesern etwas über Deinen Karriereweg erzählen?
Janitz: Sehr gern. Ich habe das gesamte Managed Services-Geschäft von der Pike auf lernen dürfen, auch wenn es zu Beginn noch nicht diesen gleichnamigen Begriff dafür gab, sondern man damals noch allgemein von Service und Support oder IT-Outsourcing sprach. Ich habe nach meinem Informationstechnikstudium an der Technischen Universität Chemnitz bei der Firma SRS GmbH, einem mittelständisches Software- und Systemhaus in Dresden, begonnen. Es handelte sich hierbei um eine Tochterfirma der SAP AG, der Siemens AG und der Robotron Projekt Dresden GmbH. Anfangs war ich sogar „verärgert“, dass man mich dem SAP-Bereich zugewiesen hat. Denn ich kannte Siemens gut, aber SAP damals kaum. Im Nachhinein sehe ich es als großen Vorteil, auf diese Weise in die SAP-Welt hineingekommen zu sein, nicht zuletzt, da ich bereits in diesem ersten Job internationale Erfahrungen sammeln konnte: wir wurden z.B. von SAP beauftragt, beim Aufbau von globalen Support Centern zu unterstützen. Hier war ich unter anderem in China, Indien, Irland und in Kalifornien, USA tätig. Dabei konnte ich natürlich auch meine fachlichen Kenntnisse erweitern, indem ich SAP-Supportservices selbst geliefert habe und Kundenerfahrungen machen durfte. Dies war eine Mischung aus Remote-Tätigkeit und Einsätzen bei den Kunden vor Ort, aber auch noch ein relativ neues Business zu der Zeit, in welchem ich bereits in jungem Alter als Team- und später Abteilungsleiter noch mehr Verantwortung übernehmen konnte.
Im Jahr 2000 wurde die SRS mit zwei weiteren Tochterfirmen der SAP zur SAP SI AG zusammengeschlossen und ein paar Jahre später in die SAP integriert, so dass ich von nun an auch größere Konzernstrukturen kennengelernt habe und als Global Vice President meinen Verantwortungsbereich erweitern konnte. Und das ist bei NTT DATA Business Solutions ähnlich: In der Vergangenheit als itelligence AG fokussierend auf den Mittelstand und nunmehr als NTT DATA Business Solutions unter NTT DATA Teil eines internationalen Großkonzerns. Und es gibt auch inhaltliche Parallelen: Wie früher bin ich auch jetzt neben meinem operativen Tagesgeschäft mitverantwortlich für komplexe, interessante Transformations- und Integrationsprojekte. Zusammengefasst basiert meine Karriere also auf verschiedenen Säulen: dem SAP-Business, dem Service- und Support-Business, Geschäftsverantwortung, Business-Transformationen und insbesondere der Arbeit mit internationalen Kunden verschiedener Branchen. Nicht zuletzt ist eine vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die grundlegende Basis für den Gesamterfolg. Und um auch hier ganz ehrlich zu sein: Glück gehört ebenfalls dazu: Nicht jeder, der eine gute Ausbildung hat und einen guten Job macht, erreicht seine beruflichen Ziele. So viel zu meinem Werdegang und meiner Rolle in NTT DATA Business Solutions.
Ein sehr interessanter Einstieg in das Thema anhand Deines Karrierewegs. „Managed Services“ sind ja eine wichtige Säule der „Digitalisierung“, von der jeder spricht. Was bedeutet Digitalisierung bzw. Digitale Transformation aus Deiner Sicht für Organisationen, und was ist dessen tatsächliche Bedeutung für die Gesellschaft?
Janitz: Zuallererst ist Digitalisierung ein sehr weitläufiger Begriff, der mittlerweile in der Tat in unzähligen Medien und Tagesgeschäften in unterschiedlichster Couleur verwendet wird; nicht zuletzt neben der Klimathematik als ein Kernthema im gerade erlebten Wahlkampf. Dabei ist das Thema nicht neu: Digitalisierung gibt es mindestes seit 1960, als das Computerthema verstärkt auch bei uns in Deutschland aufkam und erneut ab den 1990ern mit dem Internet und ab den 2000ern mit der mobilen Revolution. Es hat aktuell mit dem Thema der Digitalen Transformation sowie dem Internet of Things bzw. Industry 4.0 jedoch eine neue Dimension an Dynamik erfahren.
Um eine Digitale Transformation umfassend zu bewerkstelligen, denke ich hierbei an einzelne Bausteine, die integrativ zusammenarbeiten müssen: Da ist zum einen die Customer Experience, also das Frontend aus Kundensicht, welches definiert, wie der Kunde auf seine digitale Landschaft zugreifen kann. Damit eng verbunden sind der Digital Workplace, der für Remote Work und intelligente Arbeitsplätze eine wichtige Rolle spielt sowie die effiziente Unterstützung durch smarte Tools. Drittens ist das Thema Cloud ein wesentlicher Punkt: Seit vielen Jahrzehnten gibt es bereits Hosting, also das traditionelle Rechenzentrums-Business. Seit wir den Begriff der Cloud seit circa 15 Jahren verwenden, beschreiben wir dieses Szenario als die sogenannte Private Cloud-Umgebung. Dazu kommen weitere Formen wie z.B. die Public und Hybrid Cloud. Bei jeglicher Auslagerung von IT an interne und externe Service Provider spielen zunehmend Managed Services eine wesentliche Rolle, z.B. für die Netzwerke, die IT-Infrastruktur und die Applikation. Neben der Cloud gibt es weitere digitale Themen, beispielsweise das der Künstlichen Intelligenz (KI): wie können uns Predictive Analysis sowie intelligente, selbstlernende Tools und Maschinen bzw. Roboter helfen, menschliche Erfahrungen zu nutzen, besser und effizienter zu werden und Fehler zu vermeiden. Oder auch die relativ neue Blockchain-Technologie; gerade auch im Financial Sector. Und last but not least: DevOps. Dieser letzt-genannte Ansatz als ein weiterer Bestandteil einer digitalen Transformation ist dabei gar nicht so neu, aber beschreibt sehr gut und professionell, wie die Zusammenarbeit zwischen Softwareentwicklung und IT-Abteilung geschärft werden kann; man also auch mit Hilfe agiler Arbeitsmethoden noch effizienter zusammenarbeitet.
Bei all diesen Themen ist Digitalisierung immer im Kontext zu sehen. Es ist wirklich ein sehr breiter Begriff, der eine neue Dynamik in einem neuen Umfeld generiert. Transformation ist hierbei der Schlüssel: Gemeinsam mit unseren Kunden müssen wir schneller und zielorientiert transformieren und überdies noch effizienter werden, da Ressourcenengpässe – im Service-Business insbesondere menschliche Ressourcen – stetig zunehmen. Effizienz und Automatisierung führen hierbei zu neuen Arbeitsmodellen, deren Bedarf während der gerade erlebten Pandemie nochmals intensiviert wurde.
Zu guter Letzt profitiert die Gesellschaft ungemein von der Digitalisierung: stellen wir uns z.B. Ärzte vor, die in einer Uniklinik in einer Stadt lokalisiert sind, aber dennoch über Fern-Diagnosen und -Aktivitäten die Leute auf dem Land mitversorgen können. Oder wenn wir über den eigenen Tellerrand hinaus denken, z.B. an Regionen, die noch weniger entwickelt sind wie in Afrika, können die reicheren und hochentwickelten Länder Vorreiter sein, ärmere Länder technologisch zu unterstützen, um auch kulturelle und soziale Entwicklungen voranzutreiben.
Du hast in Hinblick auf die Digitalisierung viele Themen adressiert, die sehr gut den Rahmen für meine Anfolgefragen setzen. Fangen wir mit dem Begriff der „Managed Services“ an – Deinem Hauptfunktionsbereich. Kannst Du unseren Lesern erläutern, was genau unter „Managed Services“ zu verstehen ist, und warum sie ein wichtiger Bestandteil einer digitalen Transformation sind?
Janitz: Es gibt bereits sehr gute Definitionen bzgl. der Inhalte von „Managed Services“, z.B. von den weltbekannten Analystenfirmen Gartner und Forrester, aber ich möchte das gern zusätzlich mit meinen Worten beschreiben: Es geht konkret um eine Serviceerbringung für einen Kunden, für ein spezifisches Produkt. Dieses Produkt kann Software oder Hardware sein – wichtig ist der proaktive, integrative und koordinierte Ansatz. Die allerersten Modelle haben sich in der Vergangenheit allein auf einen reaktiven Support fokussiert, sprich, der Kunde hat ein Problem adressiert, ein Ticket erstellt, und das wurde vom Serviceerbringer bearbeitet und gelöst. Bei diesen Anfängen handelte es sich aber noch nicht um echte Managed Services. Letztere muss man weiter fassen – neben technischen Gesichtspunkten kommen insbesondere strategische und businessbezogene hinzu: dabei spielen auch die Themen Value-Based und Outcome-Based eine wesentliche Rolle - sprich, was ist der wirkliche (Mehr-)Wert für den Kunden; was nutzt dem Kunden? Während Value-based sich auf Themen wie mehr Sicherheit, Stabilität, Effizienz, Erreichbarkeit bezieht, zielt Outcome-based auf konkrete Mehrwerte für IT-unterstützte, branchenspezifische Geschäftsprozesse. In Summe geht es um den möglichst effektiven und effizienten Einsatz von Software oder Hardware beim Kunden. Bei Managed Services handelt es sich also zusammengefasst um eine vollumfassende, proaktive Serviceerbringung mit einem mehr oder weniger starken Branchenfokus für den produktiven Einsatz von Software oder Hardware beim Kunden.
Diese Art der Serviceerbringung erfolgte im Rahmen der Managed Services auch vor dem Beginn der COVID-Pandemie im Regelfall bereits remote, aber eben nicht nur. Inwieweit hat Corona Dein Business im Zuge der Pandemie verändert, und haben Digital Workplaces dabei eine bedeutendere Rolle gespielt? Und verändert sich das Umfeld aktuell erneut durch eine möglicherweise startende Entspannung im Zuge der weltweiten Impfkampagnen?
Janitz: Das Thema der Digital Workplaces ist eng verbunden mit dem jeweiligen Arbeitsmodell. Die jetzige Pandemiesituation hat gezeigt, dass wir neue und vor allem flexiblere Arbeitsmodelle brauchen. Letztere werden die Pandemie zu großen Teilen überdauern. Ein Beispiel hierfür sind digitale, virtuelle Kollaborationsmodelle, die durch Microsoft Teams, Skype, Zoom und ähnliche Tools ermöglicht werden. Diese erfordern eine hohe Bandbreite, müssen aber auch effizient und integrativ sein; z.B. Ablagen integrieren. Sie werden aber letztendlich die persönlichen Kontakte nie vollständig kompensieren können, auch wenn mit diesem digitalen Setup gerade in den Zeiten der Pandemie viel erreicht wurde. Nicht zuletzt wird es uns unsere Umwelt danken, wenn wir uns auch nach der Pandemie etwas von dieser digital unterstützten Remote-Tätigkeit bewahren und nicht zu jedem Meeting via Auto oder Flugzeug reisen. Die wegfallende Reisezeit ermöglicht Mitarbeitern überdies auch mehr Zeit sowohl im Unternehmen als auch privat. Ich habe zum Beispiel großen Respekt vor Mitarbeitern, die während des Lockdowns neben ihrem Job mit mehreren Kindern zu Hause Homeschooling durchgeführt haben.
Aus Pandemiegesichtspunkten sind wir nach wie vor in einer fragilen Situation, aber es stimmt auch, dass Geschäftsreisen wieder zunehmen. Ich selbst bin Vielflieger und global viel unterwegs, aber hatte 16 Monate lang kein Flugzeug mehr betreten. Erst jetzt im Sommer ging es wieder langsam los. Dabei sieht man, dass die Flughäfen und Flugzeuge bei konsolidierten Flugplänen wieder voller werden, auch wenn es noch nicht annähernd mit dem Stand von 2019 vergleichbar ist.
Zwei Dinge sind aus meiner Sicht noch einmal hervorzuheben: Erstens ist die Pandemie nicht zu Ende. Einige Virologen sprechen von einer „Vierten Welle“ in diesem Herbst. Die Frage ist, wie intensiv diese werden wird. Zweitens verschafft die Impfung leider keine 100%-ige Sicherheit, dass man die Krankheit nicht doch bekommen bzw. weitergeben kann. Die Impfungen haben aber zu einer deutlichen Besserung beigetragen und uns allen zumindest ein Stück der liebgewonnenen „Normalität“ zurückgebracht. Wir sind noch nicht über dem Berg, aber jeder sieht ein Stück mehr Licht am Horizont. Ich sehe optimistisch in die nächsten Wochen und Monate.
In der Vorbereitung unseres Interviews sprachst Du in diesem Zusammenhang auch das Thema „Extreme Remote Services“ an. Kannst Du unseren Lesern beschreiben, um was es sich hierbei handelt?
Janitz: Extrem Remote Services bedeuten nicht, dass man von noch weiter weg für die eigene Firma arbeitet, sondern dass man so viel wie möglich remote agiert. Auch vor COVID haben die Kollegen bei uns im Managed Services-Bereich bereits zu 80%-90% remote gearbeitet. Dagegen war es früher im Consulting eher so, dass man möglichst viel beim Kunden vor Ort war. Nun hat man aber gelernt, dass man auch Consulting-Themen zumindest teilweise remote erbringen kann. Das virtuelle Zusammenarbeiten wird verstärkt. Neben dem gesundheitlichen Aspekt des Vermeidens der Ansteckungsgefahr geht es aus reiner Business-Sicht aber auch um das Thema des Ressourcen-Sparens. Prinzipiell halte ich es für sinnvoll, möglichst viel remote zu machen, dabei aber eine gute – der Tätigkeit angemessene – Balance zwischen Remote- und Onsite-Tätigkeit zu finden und einen engen Kontakt zum Kunden zu halten.
Der menschliche Faktor spielt also nach wie vor die bedeutendste Rolle auch in der IT-Industrie, was COVID noch einmal unterstrichen hat. Du hast vorhin über KI und Automatisierung gesprochen. Inwieweit kommt diesen Elemente eine verstärkte unterstützende Bedeutung zu?
Janitz: Maschinen, die basierend auf unserem Wissen und unseren Erfahrungen gebaut bzw. programmiert sind, machen weniger Fehler als Menschen, die der Natur entsprechend emotional agieren. Zum Beispiel sieht man beim autonomen Fahren, dass eine Maschine besser als jeder menschliche Fahrer fahren kann, wenngleich dies aktuell noch nicht zu 100% funktioniert: Wenn z.B. die Sonne tief steht, kann schon mal ein Verkehrszeichen nicht erkannt werden, oder es wird eine Vollbremsung eingeleitet, weil ein Hindernis nicht korrekt interpretiert wurde. Nicht immer ist die rein rationale Entscheidung die bessere, und von der Komplexität der Denkprozesse her gesehen ist der Mensch der Maschine meist noch überlegen. Nichts destotrotz werden sich Maschinen in immer mehr Prozessen in der Industrie und im täglichen Leben durchsetzen und uns das Leben weiter erleichtern sowie Ressourcen freischaufeln. Wichtig hierbei ist erneut das Thema der Integration: Die Kommunikation und Zusammenarbeit der Maschinen untereinander; beispielsweise in Form von komplexen Internet of Things-Szenarien in sogenannten Smart Systems oder Smart Cities.
Ein weiteres Element, was Du vorhin angesprochen hast, war die Cloud. Große IT-Firmen wie beispielsweise SAP versuchen ja seit Jahren, Unternehmen auf der ganzen Welt zu überzeugen, ihre Prozesse in die Cloud zu verlagern. Wann ist es denn für eine Organisation sinnvoll, Bereiche der IT in die Public Cloud zu verlagern, und wann wählt man vielleicht doch besser die Hybrid- oder Private-Variante?
Janitz: „Cloud“ ist wie „Digitalisierung“ ein weitläufigerer Begriff. Die Private Cloud z.B. kann im Rechenzentrum eines Kunden sein oder auch bei einem Service Provider, ist aber jeweils dediziert für einen spezifischen Kunden. Bei Public Cloud muss man die unterschiedlichen – so genannten XaaS-Szenarien betrachten, also spezifische Elemente „as a Service“, wie z.B. IaaS (Anm.: Infrastructure as a Service), PaaS (Anm.: Platform as a Service) oder SaaS (Anm.: Software as a Service). Beim Thema IaaS spielen die großen Hyperscaler eine immer tragendere Rolle. Und bei SaaS geht es darum, Geschäftsprozesse in die Public Cloud zu bringen. Hier gab es vor einigen Jahren einen klaren Push: jeder sollte schnellstmöglich in die Public Cloud gehen. Aber ich sehe mittlerweile wieder eine Trendwende bzw. Korrektur: Man bevorzugt einen hybriden Ansatz: Themen, d.h. Geschäftsprozesse, die nicht geschäftsdifferenzierend sind, wird man mehr und mehr in die Public Cloud verlagern. Hierbei geht es z.B. um HR- oder Controlling-Themen, oder auch das Thema von Vertriebs-Steuerung und -Reporting. Aber geschäftskritische, diversifizierende Prozesse wie z.B. innerhalb der Logistik von Automobilherstellern werden aus meiner Sicht auf absehbare Zeit nicht in die Public Software Cloud ausgelagert, bei anderen XaaS-Szenarien (z.B. IT-Infrastruktur) vielleicht schon eher. Dazu kommen Themen aus der IT-Security, die immer mehr an Bedeutung gewinnen. In Summe also ein hybrider, flexibler Ansatz.
Sprechen wir nun über das Thema „Global Delivery“ bzw. „Shoring“, konkret um Near- und Offshoring. Wie sollten sich System-Integratoren diesbezüglich global aufstellen?
Janitz: Zunächst sollte jeder Systemintegrator schauen, wie seine eigene Kundenbasis aufgebaut ist. Davon hängt nicht zuletzt die lokale, internationale oder globale Aufstellung in der Serviceerbringung ab. Es gibt SIs (Anm.: System-Integratoren), deren Kunden alle im gleichen Land sind und aus unterschiedlichen Gründen eine rein lokale Lieferung wünschen – dann spielt das Thema Shoring eine untergeordnete Rolle. Global-agierende Service Provider sollten dagegen aus mehreren Gründen auch einen globalen Lieferansatz inklusive Near- und Offshore betreiben.
Um ein paar dieser Gründe herauszugreifen: Der erste ist ganz klar die Kosteneffizienz, welche auch bei uns als Firma mit Hauptsitz in Deutschland und einer Mutterfirma NTT DATA in Japan eine große Rolle spielt. Es gibt immer weniger Kunden, die Kostensätze aus ausschließlich diesen Hochpreisländern akzeptieren. Dann bedarf es der Unterstützung aus Shoring-Sicht mit Ressourcen, die günstigere Arbeitskosten aufweisen. Zweitens das Thema der Skalierbarkeit, bei dem auch der „War of Talents“ eine Rolle spielt. In vielen Hochpreisländern existiert ein zunehmender Wettbewerb um Experten, nicht zuletzt im SAP-Umfeld. Flexible Zugriffsmöglichkeiten auf mehrere Lokationen mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen im Arbeitsmarkt erhöhen die Skalierbarkeit deutlich. Und dritter Punkt: die Flexibilität. Wir können 24 Stunden 7 Tage die Woche Ressourcenbedarfe abdecken und dabei auch die Zeitzonen der Lokationen in verschiedenen Zeitzonen der Erde ausnutzen.
Ein passender Mix aus Onshore-, Nearshore- und Offshore-Ressourcen ist dabei ein Schlüssel zum Erfolg. Dieser hängt natürlich in hohem Maße davon ab, welchen Service man liefern möchte; also z.B., welche Leistungen aus Beratung oder Application Management man von Shoring-Kapazitäten übernehmen lassen kann und möchte. Die Sprache des Kunden spielt dabei ebenso eine Rolle wie die kulturellen und legalen Gegebenheiten. Eine Entscheidung zwischen On-, Near- und Offshore würde ich auch von der Art und Intensität der Kundenkommunikation abhängig machen: je weniger, desto höher kann der Offshore-Anteil gehen, da eben genannte Aspekte dann eine geringere Relevanz haben. „Global Capabilities, Local Proximity“ ist dabei unser Shoring-Motto - also global standardisierte Prozesse und Tools, mit flexiblen Liefer-Ressourcen aus mehreren Regionen, und trotzdem nah beim Kunden. 100%-ige Offshore-Modelle sind zwar billig, aber nur selten erfolgreich. Die richtige Balance ist wichtig.
Du sprachst eben auch das Thema der Akzeptanz an. Wie reagieren denn Kunden aus Hochpreisländern wie Deutschland auf das Shoring-Thema – wird es eher abgelehnt, oder akzeptiert, oder gar gefordert?
Janitz: Das ist sowohl branchen- als auch landes-abhängig. Die Automobilindustrie akzeptiert bzw. fordert den Einsatz von Shoring-Ressourcen schon seit vielen Jahren. Es gibt aber andere Branchen, wo das zumindest aktuell noch weniger der Fall ist, wie z.B. im Öffentlichen Sektor. Geographisch gesehen ist es im angelsächsischen Bereich, also den USA oder UK, völlig normal, mit Offshore-Lokationen, wie Indien oder Philippinen zusammenzuarbeiten. Deutschland hat diesbezüglich noch etwas Nachholbedarf.
Zu oft werden Shoring-Länder ausschließlich als Lieferanten billiger Ressourcen gesehen. Das ist ein Fehler. Führende Shoring-Lokationen wie Indien, Rumänien oder Türkei punkten nicht nur mit großer Agilität und Flexibilität, gepaart mit einem starken Arbeitsenthusiasmus, sondern auch mit hoher Expertise in vielen Fachthemen. Folglich sollte man Shoring-Lokationen auch als sogenannte Center of Excellence nutzen oder Fach-Experten dieser Länder mit globaler Themen-Verantwortung, z.B. im Portfolio- oder Delivery-Management betrauen. Wir selbst haben dadurch einen deutlichen Aufwind bezüglich Expertise und Agilität bekommen, müssen dies aber auch noch weiter ausbauen.
Shoring generiert natürlich auch Herausforderungen. Hohe Fluktuation- und Inflationsraten sollen da nur beispielhaft genannt sein. Und auch die Komplexität hinsichtlich interner Servicesteuerung und Kunden-Interaktion nimmt zu. Ein effizientes und globales Service- und Shoring- Management ist eine unabdingbare Grundvoraussetzung.
Shoring darf also nicht mehr nur aus Kostensicht gefordert und gegenüber dem Kunden so kommuniziert werden, sondern die Verfügbarkeiten von Experten in Form eines globalen Gesamtpakets soll im Mittelpunkt stehen. Meine vorletzte Frage geht nun noch einmal in Richtung Deines Hauptbereichs, den „Managed Services“. Wie werden sich diese in den nächsten 10 Jahren verändern bzw. weiterentwickeln?
Janitz: Eine gute Frage. Wenn ich jetzt noch einmal auf unseren gesamten Managed Services-Bereich schaue, befinden wir uns weiterhin in dem Prozess hin zu einem hocheffizienten und -integrierten, innovativen Service-Dienstleister, der den realen Kundennutzen und -mehrwert – Stichworte „value-based“ und „outcome-based“ – im Zentrum seines Service-Portfolios und der Lieferung verankert hat. Dies erfordert neben dem stetigen Kontakt zu Kunden und Analysten kontinuierliche Investitionen in unser Business Development und Marketing, um diese Mehrwerte auch transparent im Markt adressieren zu können. Unser Anspruch ist: Wenn ein Kunde sich für uns als Service Provider entschieden hat, sollte er neben Sicherheit und Stabilität sowie Kostenersparnis einen wirklichen Mehrwert für ausgewählte Bereiche seines Business erfahren dürfen.
Was ebenso in den nächsten Jahren im Managed Services-Bereich immer weiter in den Vordergrund geraten wird, sind die Themen Customer Success und Service Management, Customer Experience inklusive dem Zugriff auf die Service-Systeme, die Optimierung der technischen Infrastruktur und neue Technologien wie KI, wie man z.B. durch präventive Fehleranalysen noch effizienter und sicherer werden kann.
Wie eben schon erwähnt werden wir darüber hinaus die Aspekte eines sicheren und effizienten Cloud Managements mit Fokus auf SAP-Landschaften, aber auch darüber hinaus weiter entwickeln, unsere Partnerschaften mit den führenden Hyperscalern intensivieren und unser Motto „We manage your Cloud“ noch stärker in den Mittelpunkt stellen.
Wenn man dann den Horizont noch weiter hinausschiebt – vielleicht 5 Jahre und mehr – wird sich die Welt hinsichtlich IT und Digitalisierung noch schneller drehen. Dabei werden Managed Services eine noch viel integrativere Rollen spielen. Als Beispiel seien hier die eng verbundenen Themen der Smart Cities und der Connected Cars genannt: Wenn plakativ gesprochen in einer Smart City die Häuser miteinander sowie mit den Energieversorgern kommunizieren und die Autos mit den Straßen und Straßenschildern sowie untereinander, müssen Managed Services hier noch eine deutlich höhere Komplexität managen, aber insbesondere noch sicherer sein. Mittels des Einsatzes von KI müssen wir präventiv sicherstellen, dass möglichst keine Fehler passieren; Autos z.B. keine Fehlentscheidungen treffen und wir – absichtlich etwas überzogen formuliert - nicht warten, bis jemand, wenn es zu spät; also der Unfall passiert ist, versucht ein Ticket zu lösen. Smart Cities, Klima- bzw. CO²-Steuerung – all diese Dinge sind keine einzelnen, losgelösten Blöcke. Hier kann auch keine einzelne Firma mehr allein alle notwendigen Managed Services liefern, sondern hier sind Partnerschaften mehrerer Firmen mit Spezialwissen gefordert, die die Themen gemeinsam mit ihren Kunden voranbringen.
Und wo siehst Du Dich in 10 Jahren?
Janitz: Wir haben bisher viel über die sich ändernde IT gesprochen. Viele Gelehrte haben ja bereits darüber aufgeklärt, dass die Dynamik, mit der sich die Welt früher in Laufe von 200-300 Jahren geändert hat, sich heute bereits in 2-3 Jahren vollzieht. Wie sieht dann die Welt mit Blick darauf in 10 Jahren aus, und was für Auswirkungen hat dies auf mich und mein Arbeitsleben? Fairerweise möchte ich sagen, dass ich mich in 10 Jahren vermutlich schon in der Endphase meines aktiven Arbeitslebens befinde. Wenn ich in 10 Jahren noch aktiv bin, gehe ich davon aus, immer noch im Umfeld der Managed Services zu agieren, denn das ist und bleibt ein extrem-spannendes und sich immer weiterentwickelndes Thema. Darüber hinaus möchte ich mich auch regional und lokal insbesondere in meiner Heimatstadt Dresden noch mehr engagieren; z.B. Startups beim Aufbau neuer Business-Modelle mit meiner Erfahrung helfen und lokale Initiativen unterstützen. Und zu guter Letzt etwas Persönliches: Ich habe drei Söhne. Die werden in 10 Jahren die Universität geschafft und einen guten und interessanten Job haben sowie gesund und privat zufrieden sein. Und plakativ gesprochen wünsche ich mir, dass wir dann alle in einer noch friedlicheren, faireren und gesünderen Welt leben dürfen.
Lars, vielen Dank für das sehr interessante Gespräch!
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